Job-Sucher können sich mit den Anschreiben ihrer Bewerbungen positiv von ähnlich gut qualifizierten Mitbewerbern abheben. Entsprechend viel Zeit und Energie sollten sie in deren Formulierung investieren.
„Kaum war unsere Stellenanzeige erschienen, explodierten die Zugriffe auf unsere Webseite“, erzählt Walter Kaul. „Mehr als 400 Personen besuchten sie binnen drei Tagen“, berichtet der Inhaber eines Ingenieurbüros in Niedersachsen. Und viele Besucher verweilten länger als zehn Minuten auf ihr. Das weiß der Verfahrensingenieur aufgrund der Google Analytics-Daten.
Umso überraschter war Kaul, als er die eingegangenen Bewerbungen als „Assistent(-in) der Geschäftsleitung“ sichtete. Von den über 120 Bewerbern, fast ausschließlich Frauen, gingen im Anschreiben höchstens ein Viertel auf den Text der Stellenanzeige ein. Und dass die Bewerber die Webseite des Ingenieurbüros besucht hatten? „Das spürte man bei maximal einem Dutzend.“
Unternehmen stellen immer wieder fest: Es steht zwar in jedem Bewerbungsratgeber „Nehmen Sie im Anschreiben auf die Stellenanzeige Bezug und zeigen Sie, dass Sie sich über das Unternehmen informiert haben“, trotzdem tut dies das Gros der Bewerber nicht. Meist versenden sie an alle Unternehmen weitgehend dieselbe Bewerbung. „Und dann jammern sie, dass sie schon 30, 40 Absagen erhielten“, kritisiert Meera Gandbhir von der Personalberatung Conciliat, Stuttgart. „Dabei erhält, wer sich so wenig Mühe mit dem Anschreiben gibt, zu Recht eine Absage.“
Checken und nochmals checken
Nicht oft genug kann deshalb betont werden: Verwenden Sie als Stellensucher ausreichend Zeit und Energie auf das Formulieren des Anschreibens. „Das gilt insbesondere für Stellen, auf die sich viele Personen bewerben, weil sie attraktiv sind“, erklärt Bernadette Imkamp, Leiterin Personalbetreuung und -marketing bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. „Denn das Anschreiben ist das zentrale Instrument, um sich von Mitbewerbern positiv abzuheben, die einen ebenso qualifizierten Lebenslauf haben.“
Wer sich positiv abheben möchte, muss zunächst die Grundanforderungen erfüllen. Das ist oft nicht der Fall, betont Markus Vogel, Personalauswahlexperte beim Bildungsdienstleister Provadis, Frankfurt. Firmenvertreter äußerten sich immer wieder überrascht darüber, dass selbst die Anschreiben von Akademikern zuweilen vor Rechtschreibfehlern strotzten. Und in auffallend vielen Bewerbungen befänden sich noch die Namen „fremder Unternehmen und Ansprechpartner“. Deshalb wiederholt Vogel einen Rat, den jeder Bewerber verinnerlicht haben sollte: Lassen Sie das Anschreiben, nachdem es verfasst ist, noch einen Tag liegen und lesen Sie es dann erneut Korrektur. Und lassen Sie es vorm Versenden von Bekannten oder Verwandten gegenlesen.“
Floskeln und Leerformeln vermeiden
Negativ merken Firmenvertreter auch an: Die meisten Bewerber wiederholen im Anschreiben nur die Floskeln, die in den Stellenanzeigen stehen. Stehen darin zum Beispiel die Vokabeln „teamfähig“ und „kommunikationsstark“, dann findet man sie meist auch im Anschreiben. Nur wenige Bewerber übersetzen diese Begriffe und beziehen sie auf das Unternehmen und die angestrebte Position. Zum Beispiel mit einer Aussage wie: „Es fällt mir leicht, zu Menschen eine Beziehung aufzubauen“ – eine Aussage „mit der zum Beispiel viele Bewerber um eine Vertriebsposition punkten würden“, weiß der Kommunikationsexperte Ingo Vogel, Esslingen. Oder: „Ich kann schwierige Sachverhalte für Laien verständlich formulieren.“ Auch diese Formulierung sagt mehr über den Bewerber aus als die Floskel „kommunikationsstark“. „Werden Sie konkret, auch wenn es darum geht, warum Sie sich gerade auf diese Position bewerben“, empfiehlt Vogel, der das Buch „So reden Sie sich an die Spitze“ schrieb, Stellensuchern.
Ähnlich äußert sich Julia Laas, Leiterin Personalmarketing bei der Allianz. Als „wenig zielführend“ erachtet sie in einer Bewerbung eine Aussage wie: „Mich interessiert die Arbeit in Versicherungen.“ „Denn mich interessiert auch vieles“, sagt sie. „Deshalb mache ich dies aber nicht zu meinem Beruf.“ Viel stärker würde Laas interessieren, was genau den Bewerber an der Arbeit für ein Versicherungsunternehmen reizt. Und warum er sich für die Allianz im Besonderen entschied?
Wohldosiert Selbstvertrauen zeigen
Doch Vorsicht! Manchmal schadet zu viel Konkretion. Das war bei einer jungen Frau der Fall, die sich bei Kaul als „Assistentin der Geschäftsleitung“ bewarb. Sie schrieb im Anschreiben: „Ich habe auf der Startseite Ihrer Webseite zwei Rechtschreibfehler entdeckt. Welche? Das sage ich Ihnen gerne im Vorstellungsgespräch.“ „Die Frau müssen wir einladen“, war Kauls spontane Reaktion. Denn eine Anforderung an die künftige Mitarbeiterin in seiner Stellenanzeige lautete „Fit in Sachen Rechtschreibung“. Zudem strahlte diese „kecke Formulierung“ für ihn Selbstbewusstsein aus. Doch dann saß Kaul der Frau gegenüber. Und er fragte sie: „Welche Fehler haben Sie entdeckt?“ Und es zeigte sich: Die vermeintlichen Rechtschreibfehler sind gar keine. Damit war das Vorstellungsgespräch „gelaufen“.
Personalberaterin Meera Gandbhir rät Bewerbern denn auch: „Lehnen Sie sich im Anschreiben mit Ihren Selbstaussagen nicht zu weit aus dem Fenster. Denn spätestens im Vorstellungsgespräch merken die Personalverantwortlichen, ob sie tatsächlich so fachlich fit, kommunikativ und selbstsicher wie behauptet sind.“
Andreas Lutz
Zum Autor: Andreas Lutz arbeitet u.a. als Print- und Online-Journalist für das Redaktions- und PR-Büro Die PRofilBerater, Darmstadt (www.die-profilberater.de).