Das Alter der Belegschaften steigt. Also stehen die Betriebe vor der Herausforderung, auch ihren älteren Mitarbeitern eine Entwicklungsperspektive zu bieten – zum Beispiel als Trainer oder Coach ihrer Kollegen.
Bis 2020 steigt der Anteil der über 50-Jährigen an den Erwerbstätigen in der Europäischen Union auf fast 35 Prozent. Zwar schwanken die prognostizierten Zahlen, doch einig sind sich alle Studien: Die Belegschaften der Unternehmen werden älter. Fragwürdig wird damit die Personalstrategie, die heute noch viele Unternehmen bezogen auf ihre älteren Mitarbeiter praktizieren: Sie lassen diese in den letzten zehn, 15 Jahren ihrer Berufstätigkeit nur noch „mitlaufen“, ohne weiter in deren Entwicklung zu investieren. Diesen „Luxus“ können sich die Betriebe künftig nicht mehr erlauben. Denn mit jungen Mitarbeitern allein können sie ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht decken.
Umdenken ist angesagt
Das erkennen immer mehr Unternehmen. Deshalb denken sie verstärkt darüber nach, wie sie die Kompetenzen, die ihre älteren Mitarbeiter in ihrer beruflichen Laufbahn erworben haben, effektiver nutzen können. Und einige Firmen tun dies bereits – zum Beispiel in Form von Mentoren-Programmen, bei denen erfahrene Mitarbeiter ihren jüngeren Kollegen als individuelle Ansprechpartner mit Rat und Tat zur Seite stehen. Eine wachsende Zahl von Unternehmen bildet zudem ältere Mitarbeiter zu firmeninternen Trainern, Beratern oder Coaches aus.
Ein Grund hierfür ist das sich immer rascher wandelnde Unternehmensumfeld. Das lässt den Lernbedarf in den Unternehmen steigen. Außerdem wird er stets individueller. So benötigt zum Beispiel nicht jeder Büroarbeiter eine Excel-Schulung oder nicht jeder Verkäufer ein Training in Sachen Einwandbehandlung. Und wenn doch? Dann gilt zunehmend: Das Vorwissen der Mitarbeiter oder die beruflichen Anforderungen an sie sind sehr verschieden. Also benötigen sie auch eine unterschiedliche Unterstützung.
Allen Mitarbeitern ist jedoch gemeinsam: Sie müssen aufgrund des Veränderungsdrucks zunehmend lernen, selbst zu erkennen, wo bei ihnen ein Entwicklungsbedarf besteht und diesen entweder selbst oder mit selbstorganisierter Unterstützung zu befriedigen. Hierbei benötigen sie Unterstützung – zum Beispiel durch einen Coach.
Entwicklungsperspektive Trainer, Berater oder Coach
Doch nicht jeder berufserfahrene Mitarbeiter eignet sich als Trainer oder Coach. Sowohl für angehende firmeninterne Trainer als auch Coachs gilt: Sie müssen Lust auf den Kontakt mit Menschen und ein Gespür für Menschen haben. So sollte zum Beispiel ein Trainer in einem Seminar auf verschiedene Typen eingehen können. Und ein Coach? Er muss mit Menschen eine so innige Vertrauensbeziehung aufbauen können, dass diese mit ihm auch über berufliche Probleme sprechen, die ihre Wurzeln in ihrer Persönlichkeit haben.
Eine Voraussetzung hierfür ist eine wertschätzende Haltung gegenüber anderen Menschen. Denn akzeptiert und respektiert ein Coach oder Trainer andere Wertvorstellungen und Einstellungen nicht, gewinnt er auch das Vertrauen anderer Personen nicht. Also kann er sie auch nicht zu Einstellungs- und Verhaltensänderungen motivieren. Trainer und insbesondere Coachs müssen sich zudem als Person zurücknehmen können. Denn ihre Funktion ist es nicht, sich zu profilieren, sondern andere Menschen in ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu begleiten.
Ein Trainer muss zum Beispiel zudem wissen, wie Lernprozesse bei Menschen verlaufen, und er muss diese gestalten können. Außerdem benötigt er gruppendynamisches Know-how. Er sollte zum Beispiel wissen: Wie motiviere ich Menschen zum Lernen und wie gehe ich mit Konflikten innerhalb von Gruppen um? Ähnlich verhält es sich bei einem Coach. Da er jedoch primär mit Einzelpersonen arbeitet und mit ihnen auch über Themen spricht, die deren Persönlichkeit tangieren, benötigt er zudem ein hohes Einfühlungsvermögen und ein fundiertes psychologisches Know-how.
Interne Trainer und Coaches haben viele Vorzüge
In vielen Unternehmen ist der Change- und Lernbedarf heute so groß, dass er mit externen Beratern und Coaches allein nicht mehr gedeckt werden kann – auch weil diese gegenüber firmeninternen folgenden Nachteile haben:
• Sie kennen die Kultur, „Historie“ und Arbeitsabläufe in der Organisation nicht.
• Sie verfügen über kein firmeninternes Netzwerk.
• Sie sind bei akuten „Problemen“ (oft) nicht sofort erreichbar und ansprechbar. Und:
• Sie sind „Externe“, zu denen die Betroffenen oft weniger Vertrauen als zu Kollegen haben.
Deshalb empfiehlt sich – gerade, wenn es um die Strategieumsetzung auf der Bereichsebene geht – oft der (ergänzende) Einsatz firmeninterner Trainer, Berater und Coaches. Diese Funktion könnten auch jüngere Mitarbeiter übernehmen, doch einiges spricht für ihre älteren Kollegen – beispielsweise ihre in der Regel höhere Gelassenheit, wenn Probleme auftauchen. Oder ihre aus Erfahrung resultierende Fähigkeit, das Wesentliche schneller zu erkennen.
Hinzu kommt: Mit der Ausbildung zum firmeninternen Berater, Trainer oder Coach eröffnet sich Unternehmen die Chance, ihren älteren Mitarbeitern, die noch zehn, 15 oder gar zwanzig Jahre Berufstätigkeit vor sich haben, eine Entwicklungsperspektive jenseits der Führungslaufbahn aufzuzeigen. Das sorgt für einen Motivationsschub bei ihnen. Denn ihnen wird nicht das Gefühl vermittelt, allmählich aufs Abstellgleis geschoben zu werden, sondern weiterhin einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Unternehmens zu leisten.
Sabine Prohaska
Zur Autorin: Sabine Prohaska ist Inhaberin des Trainings- und Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, Wien (Tel.: +43/664-3851767; Email: prohaska@seminarconsult.at; Internet: www.seminarconsult.at). Sie ist Autorin des Buchs „Erfolgreich im Training – Praxishandbuch“.