Neben den Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Unternehmen haben sich auch die Bedürfnisse der Mitarbeiter gewandelt. Das erfordert unter anderem ein verändertes Selbstverständnis ihrer Führungskräfte: Sie müssen sich selbst als Lernende begreifen.
Heute lösen die Mitarbeiter der Unternehmen zumeist in Teams die ihnen übertragenen Aufgaben – und zwar weitgehend eigenständig. Dadurch wandelt sich auch die Rolle der Führungskräfte: Ihre Kernaufgabe wird es zunehmend, die Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit zu schaffen und diese zu moderieren.
Neben den Arbeitsstrukturen in den Betrieben haben sich auch die Mitarbeiter gewandelt. Sie erwarten heute zum Beispiel mehr Wertschätzung und Mitsprache. Und sie wollen ihre Arbeit als sinnhaft erfahren. Auch das erfordert ein verändertes Führungsverhalten. Führungskräfte müssen heute, stärker als früher, den Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen. Sie müssen zudem dazu bereit und fähig sein, ihre Entscheidungen zu begründen. Das erwarten die Mitarbeiter zu Recht. Denn wer seine Aufgaben eigenständig und -verantwortlich erledigen soll, muss die Rahmenbedingungen und die übergeordneten Ziele kennen.
Gerade fachlich kompetente und entsprechend selbstbewusste Mitarbeiter akzeptieren es heute auch nicht mehr ohne (inneren) Widerspruch, wenn Führungskräfte ihre Arbeit oder ihr Vorgehen beim Lösen einer Aufgabe kontrollieren. Also müssen Führungskräfte die Kontrolle begründen und den Mitarbeitern regelmäßig ein Feedback über deren Leistung geben. Die hierfür nötige Kompetenz fehlt nicht nur jungen Führungskräften oft.
Führungskräfte müssen heute auch sich selbst – und nicht nur ihre Mitarbeiter – als Lernende verstehen und nach einer kontinuierlichen Verbesserung ihres (Führungs-)Verhaltens streben. Hierfür ist es nötig, regelmäßig das eigene Führungs- und Gesprächsverhalten zu hinterfragen. Führungstrainings und Führungskräftecoachings allein genügen hierfür in der Regel nicht. Denn Ziel des Unternehmens sollte es nicht sein, dass sich das Führungsverhalten einzelner Führungskräfte verbessert, sondern in der gesamten Organisation eine neue Führungskultur entsteht. Das setzt Foren voraus, wo sich die Führungskräfte über Probleme, die im Führungsalltag auftreten, austauschen können
Das ist in vielen Unternehmen noch nicht möglich. Oft ist es geradezu tabu, dass eine Führungskraft im Kollegenkreis beispielsweise zugibt, keinen „Draht“ zu einem Mitarbeiter zu finden oder ihn nur schwer motivieren zu können. Solche Aussagen werden meist als Ausdruck von Schwäche interpretiert und nicht als Indiz dafür, dass eine Führungskraft ihre Wirksamkeit erhöhen möchte. Das sollte sich ändern. Denn nicht nur die Arbeitsstrukturen in den Unternehmen erfordern heute einen kommunikativeren und selbstreflexiveren Führungsstil, auch die Mitarbeiter erwarten ihn. Und wenn eine Führungskraft mit ihnen nicht auf Augenhöhe kommuniziert? Dann machen sie entweder „Dienst nach Vorschrift“ oder sie wechseln den Arbeitgeber.
Julia Voss
Zur Autorin: Julia Voss ist Geschäftsführerin des Trainings- und Be-ratungsunternehmens Voss+Partner, Hamburg (www.voss-training.de).